Donnerstag, 30. Januar 2014

Der Gehirnwäsche-Guide

Du bist angehender Beziehungstyrann, Sektenleiter, vielleicht sogar Weltherrscher? Oder du willst einfach deine Verlustängste oder Minderwertigkeitskomplexe durch willenlose Marionetten kompensieren? Schon bald kannst du Seelen unterjochen und dich als Messias anbeten lassen – wenn du diese einfachen Schritte befolgst.


  1. Die richtige Zielgruppe
    Achtung, Binsenweisheit: Menschen, die in einer Lebenskrise stecken und Hilfe bedürfen, eine wie auch immer geartete Lücke zu füllen, sind am empfänglichsten. Junge Frauen, die gerade die Trennung von ihrer "großen Liebe" durchmachen, Spätpubertierende auf der Suche nach dem Lebenssinn, Menschen, die ihren Job oder eine nahestehende Person verloren haben ... der Pool an willigen Opfern, aus dem du dich bedienen kannst, ist unerschöpflich!
    Vermeintliche oder tatsächliche Gemeinsamkeiten helfen, einen ersten Draht zum Gefolge in spe aufzubauen. Du hast das Gleiche wie sie durchgemacht, kennst dieses Herzen brechende Arschloch auch oder hörst einfach nur dieselbe Musik. Sei kreativ! Nachdem gerade selbst ernannte Individualisten (der Löwenanteil deiner Zielgruppe) sich ähneln wie ein Ei dem anderen, ist es nicht weiter schwer, Parallelen zu (er)finden.

  2. Zuckerbrot ...
    Deinen verlorenen Schäfchen eilst du selbstlos zur Hilfe, trocknest Tränen und hörst dir geduldig all die Katastrophenberichte an. Mit einer Sanftheit und einem Verständnis, das sie noch nie zuvor von jemand erlebt haben. Nachdem sich die zukünftigen Jünger den Kummer von der Seele geredet haben, eröffnest du ihnen die frohe Botschaft: Du, ja, genau du hast die Lösung für ihre Not und wirst sie ins gelobte Land führen, wenn sie dir nur ein wenig Vertrauen schenken. Warum du dich so für sie aufopferst? Weil du in ihnen etwas ganz Besonderes siehst; Menschen, die etwas Besseres verdient haben als den Bullshit, der ihnen bisher widerfahren ist – nämlich dich! Wenn du dein Machtzentrum auf die spirituelle Ebene fokussierst, ist dies auch ein günstiger Zeitpunkt, mit deinen moralischen und/oder religiösen Dogmen um dich zu werfen.
  1. ...und Peitsche
    Vergiss nicht, deine Exklusivität zu unterstreichen, indem du strategisch gegen das Feindbild deiner armen Schafe wetterst – die Peiniger, die ihnen Unrecht getan haben. Erst in Gegenüberstellung zur kalten, herzlosen Außenwelt wird ihnen bewusst, wie behaglich sie es unter deinen Fittichen haben.
    Falls du bereits erste Erfahrungen auf dem goldenen Pflaster der Tyrannei gesammelt hast, kann es vorkommen, dass dir in der Vergangenheit einige Opfer entwischt sind (oder du bist ihrer überdrüssig geworden). Von der anderen Seite der Barrikade her könnten sie deinem Opfer Warnungen zurufen. Und wer weiß, auf wen jemand schlussendlich hört, der labil genug war, auf dich zu hören? Diese Gefahr musst du unterbinden, indem du vorsorglich die Kritiker diskredittierst. "Meine Ex erzählt immer scheiße über mich und denkt sich Lügengeschichten aus, um mein Leben zu ruinieren" – nur ein griffiges Beispiel aus dem Fundus des Beziehungstyrannen. Am besten holst du dir Verbündete ins Boot, die deine Version des Geschehens unterstützen.

  2. Isolation
    Meistens jedoch lauert der Feind im Umfeld deines Opfers. Besorgte Eltern, Freunde oder Kollegen, denen es sauer aufstößt, wenn deine Gehirnwäsche ihre ersten Früchte trägt. Um mögliche Kritik aus diesem Lager zu entschärfen, mach deinem Gefolge deutlich, dass diese Menschen die Falschen sind. "Ach, auf einmal interessiert sich dein Kumpel für dich? Der meldet sich sonst nur, wenn er was will", "Deine Eltern immer mit ihrem Kontrollwahn", "Die ist bestimmt nur eifersüchtig" etc.
    Als dramatische Notlösung bei besonders unschlüssigen Schäfchen bietet sich eine Konfrontation mit der Konkurrenz an – am besten inszeniert als eine Befreiung oder Rettung des Schützlings, der sich vor dem ganzen Krach hinter deinem breiten, starken Rücken versteckt. Und nachdem die Nabelschnur gekappt ist, bleibt ihm keine andere Wahl, als dir treu zu bleiben ... es gibt sonst niemandem mehr.
    Gut ist es, wenn dein Opfer bereits durch seine Subkultur, religiöse Minderheit oder eine extravagante sexuelle Neigung (die du selbstverständlich teilst) stigmatisiert ist. Nutze diesen Heimvorteil, um einerseits durch die Scham des Andersseins, andererseits durch Zugehörigkeit die Abgrenzung vom "Rest der Welt" zu verstärken. Du und ich, Baby!

  3. Stabilisierung
    Wenn du die Schritte 1 bis 4 korrekt ausgeführt hast, solltest du mittlerweile einen oder mehrere Untertanen haben, die mit treuherzigen Augen zu dir aufblicken und sich scheu abwenden, sollte zufällig ein Irrlicht ihres alten Lebens vorbeiblitzen. Diese hart erkämpfte Position gilt es zu halten, denn Fanatismus und Wankelmut liegen leider nahe beieinander. Hierzu wiederhole bei Bedarf die vorangehenden drei Schritte.
    Diese Phase lässt sich auch nutzen, um Grenzen auszuloten. Wie viel lässt sich dein Opfer von dir gefallen, bevor es schluchzend nach seiner Mami ruft? Und wie kannst du ihn am besten wieder zum Schweigen bringen? Außerdem machst du all das ja nicht aus Spaß an der Freude. Deinen wohlerzogenen Sklaven kannst du nun auch für kleine Gefallen einsetzen, seien es Finanzspritzen oder Freundschaftsdienste. Sollte er den Tribut verweigern, erinnere ihn sanft, aber bestimmt an all dies, was du für sein Seelenheil auf dich genommen hast. Und Ruhe im Karton!

  4. Nicht den Kopf hängen lassen!
    Menschen sind einerseits naiv, können aber durch ihre Macken und Sonderwünsche zu dem anstrengendsten Arbeitsmaterial überhaupt werden. Aber du wärst nicht der starke, charismatische Anführer, der du bist, wenn du dich davon entmutigen lässt. Sollte dir dein Schäfchen zu sehr auf der Nase herumtanzen oder dich im Gegenteil durch blinden Gehorsam langweilen, scheue dich nicht, den Unwürdigen ziehen zu lassen. Zwar kann dies im schlimmsten Fall zu Nebenwirkungen führen (siehe Schritt 3) – dafür kannst du dich aus der Ferne an einer gescheiterten Existenz erfreuen, die ohne dich kaum noch in der Realität zurechtkommt. Als Bonus kannst du dich neuen Opfern gegenüber als verkannter, verlassener, tragischer Held brüsten.


Viel Spaß mit der Weltherrschaft!
P.S. Ich nehme auch Barschecks.




2 Kommentare:

  1. ich werde mich um die weltherrschaft bemühen :D
    der beitrag ist wie immer sehr gut mein kompliement

    grüße Aurion

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  2. Jemand, der die Weltherrschaft erringen will, hat mich dazu gezwungen diesen Blog zu kommentieren :D
    Und wo wir schon von Weltherrschaft reden - da kommen Bankenchefs, Großkonzerne und Staatsoberhäupter in Frage, die mit Medien und Propaganda manipulieren, Statistiken schönigen und das Geld in ihre Tasche fließen lassen.
    mfg Benjamin

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Für Autogrammwünsche, Morddrohungen und die obligatorischen empörten Aufschreie.