Samstag, 23. Februar 2013

"Gott weiß, ich will kein Engel sein ..."

Die Frauen kennen diese Spezies, mussten sie doch mindestens einmal in ihrem Leben ihren Vertreterinnen eine tröstende Schulter zum Ausweinen hinhalten. Die Männer kennen sie noch besser - schließlich ist das starke Geschlecht in 90 % der Fälle der Grund fürs Ausweinen. Jeder von ihnen hat (laut Aussage dieser Spezies) einer Vertreterin von ihnen schon mindestens einmal das Herz gebrochen.

Die Rede ist von dem Typus Frau, den ich gerne als den "handelsüblichen Engel" bezeichne.
Manchen von ihnen sieht man die Zugehörigkeit zu dieser höheren Rasse nicht sofort an. Sie tarnen sich gekonnt mit knappen Miniröcken (damit man dem ewig leidenden starken Geschlecht bequem zur Hilfe eilen kann), marialischen Dekoltes (um das große verwundete Herz zu präsentieren) und viel Schminke (um die Tränenspuren zu übertünchen).
Oftmals suchen sie sich unerwartete Orte aus, um von dort aus Liebe und Wärme in der Menschheit zu verbreiten: Bars, Diskotheken, zwielichte Ansammlungen nicht ganz nüchterner Menschen im Allgemeinen. Denn wo sonst trifft man mit so hoher Wahrscheinlichkeit auf gescheiterte Existenzen, die es mit viel Geduld aufzupäppeln gilt - das täglich Brot, äh, Ambrosia dieser Spezies?

Eines haben alle Engel gemeinsam, sonst wären es keine: Sie träumen von der perfekten Beziehung. Von bedingungslosen Liebe, Vertrauen, Respekt und davon, mit ihrem Auserwählten Hand in Hand über eine Blumenwiese zu traben. Diesen Traum im Auge, empfangen sie jeden Mann, der mit Worten, oder mit seinem Körper, oder mit irgendetwas - oft genug auch mit gar nichts - einigermaßen umgehen kann, mit offenen Armen und offenen Beinen.

Dann hebt der Engel seinen Auserwählten über die schnöde, graue, herzlose Welt hinaus und trägt ihn mit ekstatisch flatternden Flügeln in ein besseres Leben - mit Zwischenstopp zum Bierholen, wohlgemerkt. Wie ein Komet zieht diese hell und rein strahlende Liebe über das Firmament. Leider kommt kurz nach der alles verändernden Erkenntnis, seine perfekte Hälfte gefunden zu haben (und Engel haben in der Regel mehr als genug Erfahrung, um so etwas sofort beurteilen zu könenn), die Landung. Die für den Engel oft mit mehr als nur ein paar geknickten Flügelfedern endet. Beim Richten dieser entsteht zwischen der armen Seele und dem Gegenüber, der gerade das Pech hatte, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, ein oft gehörter Dialog.

"Mein Freund hat mich verlassen, ich vermisse ihn so sehr."
"Wie lang wart ihr denn zusammen?"
"Zwei Monate!" (oder drei, oder vier, oder doch nur ein paar Wochen - auffällig ist, dass der Zeitraum des paradiesischen Glücks selten die Halbjahresmarke überschreitet)
"Warum hat er dich verlassen?"
"Oh, ich glaube, er hat mich von Anfang an verarscht und es gar nicht ernst gemeint. Er hat mich betrogen/belogen/ausgenutzt/ignoriert" (die Liste ist lang, die Quintessenz: so behandelt man einen Engel doch nicht!)
"Sei doch froh, dass du den Deppen los bist."
"Nein! Ich will ihn unbedingt wiederhaben, ich liebe ihn so!"

Der Ausgang des Dialogs variiert je nach Geschlecht des Zuhörers.
Ist dieser weiblich, bekommt der Engel wahlweise Trost, Solidarität und die Ermutigung, dass andere Mütter auch schöne und vor allem treue Söhne haben (von geduldigen Zuhörerinnen), oder den Rüffel, wie man so naiv und blöd sein konnte (von Realistinnen).
Beim männlichen Zuhörer wird es interessanter. Hier bekommt der Engel sogar noch mehr Wärme, Verständnis, es wird ermuntert und über den herzlosen Geschlechtsgenossen gewettert. Es gibt Streicheleinheiten, liebe Worte und innige Umarmungen (wo sonst, außer in einer innigen Umarmung, kann man unauffällig und auf anständige Weise Brüste zu spüren bekommen?).
Bei soviel Sanftheit und Verständnis geht dem Engel natürlich sofort ein Licht auf. Der Engel blickt in die treuherzigen Hundeaugen des Trösters und erkennt darin seine wahre bessere Hälfte.
Und schon beginnt der Kreislauf von Neuem ...

Vielleicht täte es den Engeln gut, zu begreifen, dass der Weg zum Herzen eines Mannes nicht in seiner Hose beginnt. Und wenn doch, ist dieser Mann vielleicht nicht der Mr. Right, der von einer höheren Macht (der gleichen, die die Engel im Fließbandmanier produziert) dazu auserkoren ist, ihr geschundenes Herz zu heilen.